Wenn im COVID19-Maßnahmengesetz in der Ausgangsregelung ein „Aufenthalt im Freien zur körperlichen und psychischen Erholung“ erlaubt ist, dann verstehen darunter viele Menschen neben sportlicher Betätigung vor allem das Spazieren gehen an der frischen Luft. Damit verbunden: die eigenen vier Wände verlassen, durch Gärten und Parks streifen, sich die Beine vertreten, gewissermaßen „das Weite suchen“ – ohne gleich ganz die Flucht zu ergreifen, auch wenn manchem nach Reißaus zumute gewesen sein mag. Mit der Lust auf Bewegung im Freien gelangte der öffentliche Raum vermehrt in den Fokus der Aufmerksamkeit. Wo fühle ich mich wohl? Wo gefällt es mir? Wo finde ich die beste Erholung?

Die Corona-Pandemie hat den Spaziergang zu einer Lieblingsbeschäftigung werden lassen und einer Wissenschaft öffentliche Aufmerksamkeit verschafft, die bislang weithin unbekannt war: die Promenadologie (engl. strollology), in den 1970er Jahren begründet vom Schweizer Soziologen Lucius Burckhardt. An Universitäten wird sie meist in den Fachbereichen Architektur, Stadt- und Landschaftsplanung unterrichtet. Die Spaziergangswissenschaft stellt ganz klar fest, dass Spaziergänge mehr sind als eine bloße Bewegung von A nach B. Vielmehr kann Spazieren gehen auch als Erschließung der Umwelt betrachtet werden, wenn wir mit offenen Augen und Ohren flanieren und unsere Umgebung dabei bewusst wahrnehmen. Und dabei geht es um Details, um Kleinigkeiten und Nuancen, um Gleichbleibendes und sich Veränderndes. 

Spaziergänge können aber auch den Blick schärfen auf das, was uns fehlt oder was uns stört, und so Veränderungsimpulse hervorbringen. Da liegt ein Vergleich zur Sichtweise der Mobility Scouts nahe. Ihnen fällt auf, wenn Stolperfallen im öffentlichen Raum den Spaziergang für ältere Menschen riskant machen oder wenn über weite Strecken Sitzgelegenheiten fehlen, wo sie sich ausruhen können. Und sie nehmen solche Wahrnehmungen zum Anlass, darauf hinzuweisen und Veränderungen anzustoßen, auf Entscheidungsträger/innen einzuwirken und aktiv dazu beizutragen, dass unser öffentlicher Raum auch für ältere Menschen leichter zugänglich wird und auch für sie Spaziergänge zu einer Quelle der Erholung, der Freude und des vergnügten Erkundens ihres Lebensraumes werden können.